Das künftige Leben von E. M. Forster

 

DAS KÜNFTIGE LEBEN von E. M. Forster ist die Neuentdeckung eines Klassikers: In seinen Romanen HOWARDS END und ZIMMER MIT AUSSICHT, die beide prominent verfilmt wurden, war Forster der bildmächtige Chronist einer „guten alten Zeit“. Doch leider gab es in dieser Welt für Homosexuelle wie ihn keinen Platz. So verstummte er auf dem Höhepunkt seines Ruhms: Im Alter von 45 Jahren beendete er das Schreiben, weil die Geschichten der „gewöhnlichen Menschen“ ihn nicht mehr interessierten. Seine eigene jedoch wagte er nicht zu erzählen.

In seinem Nachlass wurden dann neben seinem Roman MAURICE noch einige Erzählungen gefunden, die in Deutschland noch zu entdecken sind. Doch zunächst zu MAURICE, der von James Ivory verfilmt wurde und bei den Filmfestspielen in Venedig dreifach ausgezeichnet wurde. Darin erzählt E. M. Forster die Geschichte einer unmöglichen Liebe. Die außergewöhnliche Romanze ist bis in die Nebenrollen prominent besetzt: An der Seite Hugh Grants und James Wilby sind Sir Ben Kingsley und Helena Bonham Carter zu sehen. Die Geschichte: Maurice Hall und Clive Durham studieren an der altehrwürdigen Universität in Cambridge. Gegen alle gesellschaftlichen Normen verlieben sich die beiden Männer ineinander. Doch um seine Karriere als angehender Anwalt nicht zu gefährden, löst Clive die Verbindung und stürzt Maurice in eine Sinn- und Lebenskrise.

In DAS KÜNFTIGE LEBEN werden Geschichten über heimliche Seitensprünge und über verhängnisvolle Kontakte zu „unzivilisierten“ Kulturen erzählt. Sie sind der gelegentlich fröhliche, manchmal aber auch bissige Kommentar zur scheinbaren Idylle der englischen Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Erzählung „Arthur Snatchfold“ erinnert an Erzählungen von Oscar Wilde: Der distinguierte Sir Richard Conway sitzt im Garten bei seinen reichen Gastgebern und langweilt sich. Doch plötzlich kommt ein wunderschöner Milchmann in selbstbewusstem Schritt daher. Der ältere Mann ist sogleich hin und weg. Da sein Landaufenthalt bei langweiligen Bekannten sonst wenig zu bieten hat, steht er am nächsten Tag früher auf und begegnet dem Milchmann ganz zufällig im Grünen. Der Verlauf dieser Begegnung ist für beide erfreulich, doch leider hat von weitem der Bobby zugeschaut. Nachdem Sir Richard verschwunden ist, wird der Milchmann verhaftet, und er zeigt wahre Freundschaft, indem er trotz übler Konsequenzen den Namen Conways nicht verrät.

Noch tragischer ist die Titel-Geschichte DAS KÜNFTIGE LEBEN, in dem ein Indianer sich in den ehrgeizigen Missionar verliebt. Einst galt das Volk des mächtigen Herrschers als unchristianisierbar, doch der Missionar unterwirft es. Doch was kriegt der Indianer als Lohn? Er wird auf das künftige Leben, das Jenseits vertröstet. Doch wird sich der ehemals mächtige und jetzt schwächliche Herrscher nicht doch noch rächen?

Die erste Geschichte „Das andere Schiff“ ist ebenso tragisch und melodramatisch. Hier findet sich Rassismus in ungewöhnlicher Wendung. Der indische Mischling Cocoanut verguckt sich schon als Kind in den schönen Engländer Lion. Als die beiden sich als Erwachsene wieder begegnen, angelt sich der inzwischen sehr wohlhabende Cocoa seinen „nordischen Krieger“, aber ihre sehr verschiedenen Mentalitäten führen zur Katastrophe.

Die Erzählungen von E. M. Forster bestechen durch eine wunderschöne, eloquente Sprache. Manches Mal ist es für den heutigen Leser ungewohnt, wie verschachtelt manche Sätze sind oder auch wie gewählt manche Ausdrücke, doch macht es großen Spaß, sich da einzulesen. Man muss dem Männerschwarm Verlag danken, dass er diese Erzählungen neu aufgelegt hat.

Der Erzählband DAS KÜNFTIGE LEBEN von E. M. Forster ist 2009 im Männerschwarm Verlag erschienen. Es umfasst gebundene 209 Seiten und ist Fachhandel für 18 Euro erhältlich.

 

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