Jugendbücher zum Thema Homosexualität

 

Als Service für all die jüngeren Zuhörer, Eltern von homosexuellen Jugendlichen, und für alle, die sich noch einmal an ihr eigenes Coming Out  erinnern mögen. An ihre Gedanken und Gefühle, an ihre Verwirrungen und mehr oder wenigen lustigen Erlebnisse rezensiere ich hier in aller Kürze ein paar der mir am spannendsten vorkommenden Jugendbücher zu der Thematik:

Beginnen möchte ich mit Christine Nöstlingers „Bonsai“: ein eher untypisches Buch für sie, weil die Hauptperson schon fünfzehn Jahre alt ist. Bonsai heißt nicht wirklich so, sondern wird von seinen Klassenkameraden zu seinem Ärger so genannt, weil er so klein ist, kleiner als das kleinste Mädchen in der Klasse. Dafür ist er aber ein gewaltiger Intellektueller. Er hat Durchblick was seine Umgebung betrifft: Die Alleinerzieherin (sein Name für seine Mutter) durchschaut er ebenso wie den Religionsspringer, die Mitschülerdödeln, Pribil & Pribil (die herzigen Dummbaucherln, von anderen für Schickimickis gehalten) und seine dicke Tante.

Weniger sicher ist er sich bei seiner Kusine Eva-Maria – und bei sich selbst. Eva-Maria bringt ihn nämlich auf den Gedanken, er könnte homo oder bi sein, und fortan bereitet ihm sein (potentielles) Sexualleben einige Selbstfindungsqualen. Da helfen auch Eva-Marias Verführungsversuche nichts, sie verschrecken eher. Dass Eva-Maria noch ganz andere Motive hat, wird erst im letzten Kapitel klar.

Mir hat dieses Buch deswegen so gefallen, weil Bonsai einen so netten wienerischen Dialekt hat, den man quasi hört, wenn man es liest. Das Thema Homosexualität wird herzerfrischend und total charmant behandelt. Am Ende weiß man nicht, welche sexuelle Orientierung er hat, aber genau das ist das Gute.

Das Buch „Bonsai“ von Christine Nöstlinger, im Beltz und Gelberg Verlag erschienen,  ist als Taschenbuch für etwa acht Euro im Fachhandel erhältlich.

Ebenfalls fünfzehn Jahre alt ist der Held des Romans „Rollenspiele“ von Hans Olsson. Eigentlich sind seine Probleme ganz typisch für sein Alter. Neben der beginnenden Abnabelung von den Eltern ist in Schweden nach der 9. Klasse auch ein Schulwechsel angesagt. Die langjährige Clique droht aber nicht nur deswegen auseinanderzufallen. Die seit einiger Zeit eingesetzte Pärchenbildung ist wie ein schleichender Virus, der die einstige Offenheit unter den Freunden untergräbt. Johan wird dabei von seinen Freunden sogar beneidet, denn reihenweise verlieben sich die Mädchen in ihn. Johan hingegen wird immer unglücklicher, denn er ist schwul. Hans Olsson greift in ROLLENSPIELE auf eigene Erfahrungen zurück und erzählt die tragikomische Geschichte vor dem ‚Coming out‘ in der Ich-Perspektive. Johan versucht sich mit Mädchen, ähnlich wie die heterosexuellen Freunde sich zuweilen auch untereinander befriedigen, aber seine Neigung für das gleiche Geschlecht beeinträchtigt dies nicht. Wie aber macht man nun den männlichen Freunden klar, dass man weiterhin ihre Freundschaft sucht, ohne in sie verliebt zu sein, und den Mädchen, dass man eben ’nur‘ ihre Freundschaft will?

Besonders gefallen hat mir an diesem Buch, dass es so witzig ist. Johan stürzt von einem Missgeschick ins andere. Außerdem ist es ähnlich unverkrampft wie Bonsai. Der junge Held ist einfach liebenswert.

Hans Olssons „Rollenspiele“ ist bei Oetinger und in der Omnibusreihe von Bertelsmann erschienen.

Das literarisch hochwertigste Buch in dieser Kategorie hat Ted van Lieshout geschrieben. Er gibt bewegend Einblick in den Abschied eines Sechzehnjährigen von seinem verstorbenen Bruder. 

Lieber Maus … Lukas schreibt ins Tagebuch seines verstorbenen Bruders Marius. Die Mutter der beiden Jungen will Marius Zimmer räumen und dabei von ihrem Jüngsten Abschied nehmen. Lukas ist entschlossen, Marius Tagebuch vor dem Feuer zu retten, indem er es durch seine Eintragungen in Besitz nimmt. Marius und Lukas Texte, die Erinnerungen an die gemeinsamen Erlebnisse überlagern sich, nähern sich einander an. Beide Jungen waren auf ihre Art Außenseiter,  was ihre Beziehung zueinander nicht leichter machte.
Mit jeder Seite, die Lukas im Tagebuch umblättert, blättert er weitere Facetten des Themas Tod auf. Es gibt Witwen und Waisen – doch wie nennt man jemanden, der seinen Bruder verloren hat?

Tagebucheintragungen weisen auf die ersten Anzeichen einer schweren Erkrankung bei Marius hin. Mit jeder Seite, die die Leser umblättern, öffnen sich auch ihnen neue Aspekte im Verhältnis der beiden Brüder. Lukas sucht und findet im Tagebuch ein Geheimnis, das die Brüder miteinander teilten. Für Lukas geht es um weit mehr als um Tod und Abschied nehmen, er muss Frieden mit Marius Ärzten finden und sich der Angst vor dem eigenen Tod stellen. Endlich kann er sich mit seinen Eltern aussprechen.

Dies ist ein Buch zum Weinen, zum melancholisch sein, zum ganz viel Dazulernen. Es sollte eine Pflichtlektüre in der Schule sein, denn wenn Pädagogen die Ansicht haben sollten, dass Literatur auch der emotionalen Bildung dient, was ich glaube, dann ist dies das Buch, das in erster Linie gelesen werden müsste.

Das 1999 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis prämierte Buch „Bruder“ von Ted van Lieshout ist ebenfalls bei Beltz und Gelberg erschienen.

Zum Schluss darf ich natürlich auch Andreas Steinhöfels „Die Mitte der Welt“ und „Tuchfühlung“ von Doris Meißner-Johannknecht nennen, ebenfalls Klassiker in dieser Kategorie. Ersteres genauso wie „Bruder“ von Ted van Lieshout auch ein Erwachsenenbuch und von mir unbedingt zu empfehlen.

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