Zum Sterben nach Kairo von Andrea Karimé

 

Die Hauptfigur in diesem Kriminalroman ist die lesbische Deutsch-Libanesin Hala Habidi. Sie entdeckt, dass sie dafür geboren wurde, kleine Geheimnisse herauszufinden. Daher verdingt sie sich nun als Privatdetektivin. Doch ihr nächster Fall könnte eine Spur zu groß für sie sein: Ihr schwuler ägyptischer Bekannter Philemon beauftragt sie, den möglichen Mord an seiner Tante Anastasia in Kairo aufzuklären. Seit ihrer Kindheit war sie in keinem arabischen Land. Ihre Großtante hatte sie, als sie noch ein Kind war, davor gewarnt, jemals wieder zurückzukehren. Doch einer Eingebung folgend reist sie trotz aller Bedenken nach Kairo, um dort der ein oder anderen Gefahr zu begegnen.

Hier in der ägyptischen Hauptstadt trifft sie auf irritierende Gegensätze. In dieser lauten, niemals schlafenden Megacity erlebt sie einerseits die Lebendigkeit und Herzenswärme der Menschen, andererseits aber auch die gesellschaftlichen und totalitären Strukturen und traditionellen Werte eines streng muslimischen Staates.

Während Hala Habidi den mysteriösen Umständen um den Tod der Journalistin Anastasia nachgeht, stößt sie auf ein anderes Verbrechen: Ein Mädchen verblutet nach einem unfreiwilligen medizinischen Eingriff auf offener Straße, ein anderes ist vor der bevorstehenden Genitalverstümmelung auf der Flucht. Hala versucht die Drahtzieher dieser grausamen Praktik zu entlarven und gerät dabei immer tiefer in den Strudel eigener Gefühle und Erinnerungen. 

So gegensätzlich dieses Land ist, so irritierend ist auch die Diskrepanz zwischen Sprache und Inhalt dieses spannenden Kriminalromans. Auch wenn gelegentlich die Bilder etwas schräg sind, manchmal die Formulierungen etwas hinken, ist es doch die blumige Sprache, die diesen Roman zu etwas Besonderem machen.

„In diesem Augenblick fiel Regen auf die Äste ihrer Überlegungen und Fragen, ertränkte sie fast und gab dann auch noch vor, ihnen Gutes zu tun. Unfreundliche Wasser!“

„Jede Seele wird irgendwann den Tod schmecken, dachte er plötzlich und spürte leichte Panik. Ein kühler Wind kam vom Fluss und erfrischte seinen Geist.“

Dies sind zwei Beispiele von vielen. Eine interessante Technik ist, dass sie in Kursivschrift andere Stimmen die Geschichte kryptisch erzählen lässt. Je mehr die Leserin / der Leser in die Geschichte taucht, desto mehr versteht er von diesem Stimmen. Den Stimmen, die das Leid der geschundenen, genitalverstümmelten Frauen in arabischen Ländern klagen. Den Stimmen, die von Unterdrückung der Frau reden, die von Armut und Ungemach niedergedrückt werden.

Dieser Kriminalroman spricht viele Themen an, Homosexualität in arabischen Ländern, Genitalverstümmelung, das Verhältnis von Mann und Frau, die schwierige Thematik der Religion und Tradition in Ägypten. Doch dies geschieht mit leichter Hand, mit viel Feingefühl, Reflektion und mit vielen mystischen Anwandlungen. Es ist ein schnell gelesenes Buch, das aber nachhaltig Eindruck macht.

Andrea Karimés broschiertes Taschenbuch ZUM STERBEN NACH KAIRO umfasst 170 Seiten, ist im Quer Verlag erschienen und für 12,90 im Fachhandel erhältlich.

 

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